Mit Eurail (Interrail) nach Irland

Ohne Flugzeug nach Irland – geht das? Für einen kleinen Urlaub sollte es dieses Jahr nach Irland gehen – aus Gründen des Klimaschutzes allerdings bestenfalls ohne Flugzeug. Kein Problem sagt Google Maps, die 1.789km schaffst du zu Fuß in 307 Stunden. Fantastisch. Da die Zeit dafür nicht reichte, musste ein Plan B her, warum also nicht Bahn fahren. Easy sagt die DB Reiseauskunft, in 28 Stunden und 50 Minuten bringen wir dich von Berlin Gesundbrunnen bis nach Killarney mit gerade einmal sieben Umstiegen, klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Ganz so eilig muss es dann doch nicht gehen, zumal drei Stunden nachts am Fährterminal zu sitzen und bis sechs Uhr Fähre zu fahren nicht all zu erstrebenswert klingt. Aber so grundsätzlich erschien uns das Vorgehen ganz sinnvoll, also haben wir uns daran gemacht, die Reise etwas auszugestalten, als Basis sollte der Interrail Global Pass dienen.

Aber schon die Beschaffung des Tickets ist alles andere als trivial: Eurail B.V., die Firma hinter Interrail (Interrail heißt das Produkt offenbar für Nicht-EU-Bürger, während es EU-intern als Eurail verkauft wird) bietet neben sog. „Pässen“ für ein Land auch „Global-Pässe“ an, diese allerdings in neun unterschiedlichen Ausprägungen: vier Tage, fünf Tage, sieben Tage, 10 Tage, 15 Tage innerhalb von 2 Monaten – jeweils nicht zwingend zusammenhängend – 15 Tage, 22 Tage, ein Monat, zwei Monate oder 3 Monate – jeweils zusammenhängend. Die Preise sind nach dem Alter gestaffelt, ein 7-Tage-Pass kostet für Jugendliche bis 27 Jahren z.B. 264€, für Menschen ab 28 Jahren 352€ und für Senioren über 60 Jahren 317€. Durch ein früheres Beratungsprojekt bei Eurail B.V. war ich über den Tarif-Dschungel zum Glück schon vorgewarnt und so entschieden wir uns für den Fünf-Tage-in-einem-Monat-Pass (später stellte sich heraus, dass durch meine Bahncard 100 auch ein Vier-Tage-in-einem-Monat-Pass gereicht hätte, aber hinterher ist man halt immer schlauer). Glücklicherweise ist bei Eurail gefühlt immer Sale – daher gibt es oft noch ein wenig Rabatt auf die Preise.

Wer nun denkt „fantastisch, damit steige ich direkt in den nächsten Zug“, irrt allerdings ein wenig, denn das klappt so nicht in jedem Land. Mein jugendlich-naives Bild von glücklichen Interrail-Teenagern, die spontan wie nur irgend möglich mit dem Zug durch Europa gondeln, hat mir die SNCF mit der Reservierungspflicht im TGV zum Glück schon früh genommen, aber auch Eurostar und Fähren sind von jugendlicher Spontanität offenbar nicht ganz so begeistert – sobald also SNCF, Eurostar, Fähren und sicherlich noch ein paar weitere Bahnen im Spiel sind, ist es wohl ratsam, die ganze Tour etwas im Voraus zu planen. Gesagt, getan, also wurde folgender Reiseplan beschlossen und verkündet:

  • Reisetag 0: Berlin – Düsseldorf (bzw. Karlsruhe – Düsseldorf für mich, da ich dort noch ein Seminar hatte)
  • Reisetag 1: Düsseldorf – Köln – Bruxelles Midi – London
  • Reisetag 2: London – Holyhead – Dublin
  • Reisetag 3: Dublin – Mallow – Killarney
  • Reisetag 3,5: Killarney – Dublin – Cherbourg
  • Reisetag 4: Cherbourg – Paris – Strasbourg
  • Reisetag 4,5: Strasbourg – Frankfurt
  • Reisetag 5: Frankfurt – Berlin

Die Liste offenbart bereits, dass das mit dem Fünf-Tage-in-einem-Monat-Global-Pass nicht ganz so einfach ist, wie es klingt… Schon bei 0 anzufangen zu zählen, ist kein weirder Informatiker-Flex, sondern Resultat der (mir bis dahin unbekannten) Inbound-Outboud-Regel: Als Bürger einer der 33 Eurail-Länder dürfen nur maximal zwei Fahrten im eigenen Land unternommen werden (quasi als Ausreise – Outbound – und Wiedereinreise – Inbound), wodurch offenbar vermieden werden soll, dass fleißig Eurail-Tickets als Ersatz für z.B. teurere DB-Tickets erworben und genutzt werden. Dabei ist es völlig gleich, ob ein überwiegender Teil der Reise im eigenen Land verbracht wird oder die Reise z.B. in Aachen Richtung Brüssel startet – beides kostet einen der beiden Inlandstage. Daher entschieden wir uns, den ersten Tag lieber mit Bahn-Bonus-Punkten zu bestreiten als mit dem Eurail-Pass (da auch die längeren Pässe jeweils nur zwei Tage im eigenen Land zulassen würden). Gleiches auf der Rückfahrt: Ein Ticket von Cherbourg über Paris, Karlsruhe und Mannheim bis Frankfurt zu lösen würde den Inbound-Tag kosten, also sah der Plan vor, den Eurail-Tag nur bis Strasbourg zu lösen und die Einreise nach Deutschland mit einem zusätzlichen Ticket von Strasbourg bis Frankfurt zu realisieren (hier wird es zusätzlich wild, denn eigentlich würde der Eurail-Pass ja bis zur Grenze gelten, ab der Grenze lässt sich ein Ticket aber nur über ein Pass 2 der DB im personenbedienten Verkauf lösen. Um ganz genau zu sein: kontrolliert wird im TGV allerdings nur die Sitzplatzreservierung, die sich unabhängig vom Geltungsbereich des Eurail-Passes jedoch auch bis Karlsruhe ausstellen lässt – das soll aber keine Anstiftung zum Schwarzfahren sein).

Irish Ferries ist in der Natur der Sache natürlich keine Bahn, sondern eine Fähre, allerdings bekommen Eurail-Pass-Inhaber dort 30% Rabatt (aber Achtung: nur auf den Personentransport, nicht auf Kabinen), Fahrten über Nacht brauchen nur an einem der beiden Tage einen Reisetag (wobei das niemand kontrolliert). Für die Rückfahrt von Killarney nach Dublin zur Fähre wurde eine Mitfahrt in einem PKW eingeplant, daher haben wir uns entschlossen, den vierten Reisetag letztendlich von Cherbourg in Frankreich bis Strasbourg gelten zu lassen.

Soweit zum leichten Teil. Nun folgt der wilde Part: die Buchung. Den romantisch-naiven Interrail-Teenager in mir hatten wir ja nun schon darüber aufgeklärt, dass ohne Reservierungen nicht viel läuft – gleichzeitig kosten die meisten Reservierungen auch noch zusätzlich einige Euros:

  • Deutsche Bahn: keine Reservierungen nötig, auch im ICE nicht
  • Thalys: Reservierung gegen Aufpreis notwendig (haben wir daher nicht genutzt und sind mit dem ICE bis Brüssel gefahren, der auch in Belgien keine Reservierung braucht – in Frankreich aber schon!)
  • Eurostar: Reservierung notwendig, 32€ pro Person
  • Avanti West Coast: keine Reservierung notwendig
  • Irish Ferries: Reservierung notwendig, 30€ Holyhead – Dublin, 50€ Dublin – Cherbourg zzgl. 100€ Kabine für zwei Personen
  • Irish Rail keine Reservierung notwendig
  • SNCF: im TER keine Reservierung notwendig (das ist aber von Region zu Region offenbar unterschiedlich!), im TGV Reservierung notwendig, 18€ pro Person

Wild wird es nun, da die Reservierungen teilweise über die Website von Eurail gekauft werden müssen (hier habe ich erst später rausgefunden, dass der Buchungsaufschlag von Eurail nur einmal anfallen würde, wenn man alle Reservierungen zusammen bucht), teilweise aber auch über die Websites der Anbieter. Sehr nervenaufreibend wird es, wenn unklar ist, ob nun eine Reservierung notwendig ist oder nicht. Die Eurail-Website informiert für Avanti West Coast und TER z.B. darüber, dass eine Reservierung notwendig ist, bietet jedoch selbst keine an. Sowohl bei Avanti, als auch bei SNCF lässt sich über Website oder App jedoch keine separate Reservierung beziehen. Bei beiden Anbietern konnte letztendlich nur ein Kontakt via Twitter weiterhelfen – Avanti West Coast stellte dann freundlicherweise eine kostenlose Reservierung aus, bei der SNCF verwies Eurail an die Hotline, die sich jedoch nur für den TGV zuständig fühlte und nicht für den TER und auf die TER-Hotline verwies, die jedoch nur französisch spricht. Letztendlich ist in der Normandie im TER offenbar jedoch keine Reservierung notwendig. Das führt jedoch dazu, dass die Nerven zwischendurch etwas herausgefordert werden, denn das Letzte, was man auf eine Tour mit Folgereservierungen braucht, ist ein unfreiwilliger Zwischenstopp, wenn für einen voll ausgebuchten Zug dann offenbar doch eine Reservierung notwendig gewesen wäre. Wie auch immer – so wird es unterwegs immerhin nicht zu entspannt. Was genau passiert, wenn ein TGV mit Reservierung verpasst wird und die Folgezüge ausgebucht sind, konnte mir auch noch niemand sagen. Letzte Minimalhürde ist, dass alle Bahn- und Fährunternehmen unterschiedliche Buchungshorizonte haben – wodurch ungünstige Situationen entstehen könnten, in der die Hälfte der Tour gebucht ist und dann einzelne Strecken keine Kontingente mehr haben – ein Buchungsplan mit den jeweiligen Buchungshorizonten und frühstmöglichen Buchungen hat das Problem für uns aber gelöst. Für Nervenkitzel sorgt jeweils auch, dass die Eurail-Buchungsplattform nicht darüber informiert, dass der Horizont noch nicht erreicht ist, sondern stattdessen behauptet, dass der entsprechende Zug bereits ausgebucht sei. Whatever…

Lustig – die Buchungsbestätigung bei Avanti West Coast über Twitter ist ein Screenshot, hat aber funktioniert!

Soweit zur Planung – die Durchführung war im Vergleich ein Kinderspiel:

Reisetag 1: Düsseldorf bis London

Als DB-Vielfahrer ist man ja etwas skeptisch, wenn die komplexe Reisekette im Hoheitsgebiet von DB Netz anfängt, allerdings wurden wir dieses Mal mit fantastisch planmäßigen Abfahrten verwöhnt! Um den Karneval in Köln weiträumig zu meiden, haben wir spontan die Route mit National Express über Aachen gewählt – das Scannen des Eurail-Tickets im Zug schlug aber direkt fehl. Freundlicherweise wurden wir trotzdem weiter befördert. Das erste Nervenkribbeln wurde dann durch die Umstiegszeit in Bruxelles Midi getriggert – Eurostar (fühlt sich durch den Grenzübertritt nach UK hier offenbar mehr als Airline) bittet darum, 90-120 Minuten einzuplanen, unser Plan sah 60 Minuten vor, aber eine Verbindung früher zu nehmen, um drei Stunden vor Abfahrt des Eurostars in Brüssel zu sein, war mir dann doch zu viel. Letztendlich dauerte der Check-In mit Gepäck- und Reisepasskontrolle (Brexit!) dann auch ca. 10-15 Minuten. Das Scannen des Eurail-Tickets schlug natürlich direkt wieder fehl, allerdings war man den Umgang mit Eurail/Interrail-Nutzern offenbar schon gewohnt, sodass die Abfertigung dann doch fix weiterging. Der Rest der Wartezeit wird dann in einem fensterlosen Warteraum verbracht (Danke, dass es keine drei Stunden waren!), bevor dann ein Boarding in mehreren Zonen startet (was man für ein Gewese um den Einstieg in einen Zug machen kann…). Die Reise nach London verläuft im Weiteren unspektakulär.

Eurostar in Bruxelles Midi

Reisetag 2: London – Dublin

Nach ein paar Tagen London ging es weiter Richtung Dublin. Der Check-In bei Avanti West Coast erstaunlich problemlos, der Zug überraschend leer. Offenbar so leer, dass nach der Hälfte der zweite Zugteil eingespart wurde, sodass die Hälfte der Passagiere einmal den Platz wechseln durfte (wodurch sich unsere o.g. Reservierung auch erledigte). Der Rest der Reise erfolgt witzig nah an der Küste, sodass teils die Wellen gegen den Zug schlagen, was aber offenbar niemanden zu stören scheint. Der Übergang zu Irish Ferries in Holyhead ist sehr unkompliziert, da Bahnhof und Fährterminal im selben Gebäudekomplex verbaut sind. Vom Eurail-Ticket wollte bei Irish Ferries dann niemand mehr etwas sehen.

Fahrt mit Avanti West Coast direkt an der Küste – Name ist Programm

Reisetag 3: Dublin – Killarney

wer auch immer dieses komische Prinzip der Wartehallen erfunden hat…

Aus betrieblichen Gründen (welche auch immer) verzögerte sich unsere Abfahrt in Dublin um 40 Minuten, die im Laufe der Fahrt jedoch fast wieder aufgeholt wurden. Da es offenbar kein Personal im Zug gibt und die Website nur sehr spärliche Live-Infos ausgibt, konnte zwischendurch niemand so recht zu Anschlusszügen Auskunft geben – auch hier half glücklicherweise Twitter weiter, der Anschluss wartete dann freundlicherweise auch. Witzige fun facts: Irland fährt nicht mit 1.435mm Normalspur, sondern mit einer 1.600mm Breitspur und der Bahnhof Killarney ist ein Kopfbahnhof, allerdings führt die Strecke am Kopfbahnhof vorbei weiter nach Tralee. Das hat zur Folge, dass der Zug in Killarney kopfen muss, ca. 500m fährt, um dann wieder die Richtung ändern zu müssen, sodass die Reise nach Tralee fortgesetzt werden kann.

Iarnród Éireann in Killarney mit 1.600mm Breitspur

Reisetag 4: (Dublin –) Cherbourg – Paris – (Strasbourg –) Karlsruhe – Mannheim – Frankfurt

Um nicht auf dem gleichen Weg zurück zu müssen, entschieden wir uns für eine Rückfahrt über Frankreich und somit einer Übernachtung auf der Fähre zwischen Dublin und Cherbourg. Die Umsteigezeit in Cherbourg mit 1,5h stellte sich als etwas sportlich heraus, da die Fußgängerbrücke kaputt war und die 7 Passagiere erst nach allen Autos und LKWs mit einem Bus von der Fähre geholt wurden, Irland nicht Teil des Schengen-Raumes ist und die Grenzkontrolle daher erst in Cherbourg erfolgt und schließlich der Hafen einige Kilometer von der Innenstadt entfernt liegt (ohne Bus natürlich), sodass noch 30 Minuten Fußweg eingeplant werden müssen. Glücklicherweise lief die Fähre pünktlich ein, sodass am Ende 10 Minuten Puffer zum TER nach Paris blieben.

gemütliche Fährkabine ist gemütlich

Die Fahrt mit TER und TGV, sowie das Umsteigen in Paris (zu Fuß von St. Lazare nach Gare de l’Est) waren dafür sehr entspannt, etwas nervig die Baustellen zwischen Mannheim und Frankfurt, sodass der letzte Teil der Reise von Karlsruhe nach Frankfurt nochmal zwei Stunden für sich in Anspruch nahm.

DB sogar drei Minuten vor Plan in Mannheim

Reisetag 5: Frankfurt – Berlin

So unspektakulär, wie eine Reise im ICE Sprinter sein kann… Pünktlich und zufrieden wieder am Gesundbrunnen angekommen.

Resumé

Insgesamt ist die Tour sehr empfehlenswert, sofern man gerne Bahn fährt. Durch Zwischenstopps werden die Umstiege ganz gut entzerrt, sodass das Risiko fehlender Anschlüsse nicht zu groß wird. Die Fahrt wird dann auch mit jeder Menge spannender Strecken und Ausblicke belohnt. Größtes Manko gegenüber der einfachen Buchung eines Flugtickets ist allerdings die Planung mit all ihren Abhängigkeiten und unvollständigen Informationen. Hier muss man schon einigen Spaß am Recherchieren mitbringen und darf sich nicht scheuen, hier und da nochmal z.b. via Twitter oder per Telefon nachzufragen. Sarkastisch positiv gesehen kommt wieder ein wenig Reisegefühl von vor 100 Jahren auf und definitiv positiv gesehen bekommt man wirklich ein Gefühl für die Distanz, die effektiv zurückgelegt wird und die beim Fliegen manchmal vielleicht etwas zu leicht überwunden wird.

Die Gesamtkosten der Reise beliefen sich auf 282€ Interrail, 32€ Eurostar, 18€ TGV, 130,33€ Irish Ferries und damit 462,33€ pro Person in Summe.

Gesamtlänge der Strecke:

  • Bahn: 3.427km
  • Fähre: 812km
  • Auto: 409km

One Comments

  • Mirkam

    6. März 2023

    Nice!
    Fürs nächste Mal auf der oder durch die britische Insel wäre es spannend, ob man zu zweit mit einer Two Together Railcard nochmal im Verhältnis spart. Mit Europa-Sparpreisen und den einzelnen irischen Tickets könnte man da vielleicht sogar billiger als Interrail kommen. Wäre zumindest spannend, zu wissen, ob das stimmt. (Wenn man eh schon genau weiß, wann man fahren will. Meines Wissens ist der größte Vorteil von Interrail ja die Flexibilität bei berechenbaren Preisen.)

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