Wer hätte gedacht, dass Lora bzw. LoraWAN mittlerweile schon über 10 Jahre alt sind? Zuletzt ist es gefühlt ruhiger geworden um das Protokoll, auch in der Berliner Community bewegt sich nicht mehr sonderlich viel – sicherlich auch durch die Abspaltung von Helium, die doch recht komplizierte Konfiguration von Clients (SF9? SF12? Version 1.0.1? 1.0.2? 1.1.0? …? Rev A der regionalen Parameter oder doch Rev B? Support Class B? Class C? Was war noch gleich die Home NetID? Welches KEK Label? Leute, ich wollte nur n Tracker online bringen und nicht gleich Lora studieren!) und zuletzt auch durch die recht hohen Kosten der Clients (meistens ab 100€ aufwärts – lediglich den TrackerD von Dragino gibt’s für 60€, dafür muss man sich aber auch per serieller Konsole damit verbinden, wenn man ihn wieder abschalten möchte). Und dann gibt es noch die Airtime-Beschränkung vom The Things Network (TTN), die maximal 30 Sekunden Sendezeit pro Client zulässt – was bei SF9 und 125kHz ca. 5.000 Zeichen entspricht. Nicht besonders viel – will man alle 10 Minuten eine Position übermitteln, dürften das pro Nachricht gerade noch 30 Zeichen sein, ein String wie {"lat": 52.5162225, "lon": 13.3778965}
sind schon 38 Zeichen…)
Doch es gibt einen neuen Stern am Abendhimmel der IoT-Welt: Meshtastic! Doch was ist das eigentlich genau?
Ganz kurz gesagt ist Meshtastic die dezentrale Implementierung eines Ad-Hoc-Netzes auf Basis von Lora (allerdings komplett inkompatibel zu LoraWAN!). Die Spezifikation und die dazu passende Firmware sind als Open Source auf GitHub veröffentlicht. Mittlerweile hat sich ein recht großes Spektrum an Trackern unterschiedlichster Art (mit und ohne Gehäuse, mit und ohne Batterie, mit und ohne Solarzelle) gebildet, die meistens im Bereich zwischen 30 und 150€ zu haben sind. Die größte Besonderheit – und Abgrenzung zu LoraWAN – ist sicherlich die zugehörige App (Play Store). Die Spezifikation der Standard-Firmware sieht nämlich vor, dass die Konfiguration der Geräte komplett über Bluetooth (alternativ WLAN, LAN oder USB) erfolgt und über die zugehörige App auch die gesamte Kommunikation (Chat in Kanälen oder direkt) abgewickelt wird. Das sorgt dafür, dass die Tracker jeweils recht überschaubar gebaut werden können und direkt out-of-the-Box ein erstaunlich komfortables Arbeiten möglich ist. Für einen ersten Start müssen lediglich Region (EU, US, …) und Preset (per default LongFast
) ausgewählt und ein Name des Gerätes vergeben werden und los geht’s!

Im Vergleich zu LoraWAN ist also deutlich weniger Initialaufwand notwendig, was den Einstieg deutlich erfreulicher macht. Im Hintergrund werden pro Gerät automatisch privater und öffentlicher Schlüssel generiert, mit denen z.B. eine OTA-Konfiguration anderer Geräte möglich ist. Außerdem lässt sich eine Liste mit „Kanälen“ pflegen – ungefähr vergleichbar mit Chaträumen: Alle Clients, die den gleichen Kanal abonnieren und den gleichen geheimen Schlüssel dafür hinterlegt haben, können darüber Nachrichten austauschen. Über den „primären Kanal“ verschicken die Clients außerdem regelmäßig die eigene Position und einige Metadaten, die dann in der App der anderen Geräte jeweils per Karte dargestellt werden. Mittels Handy (bzw. Laptop und bei Geräten mit eingebauter Tastatur und Bildschirm wie z.B. dem Lillygo T-Deck) ist damit direkt ohne Aufwand eine Kommunikation komplett über Funk möglich.

Einige weitere spannende Features sind die eingebaute Möglichkeit, empfangene Daten automatisiert als JSON an einen MQTT-Broker zu schicken und von dort empfangene Daten via Lora zu verschicken. Die Implementierung des Funkprotokolls ist zudem recht clever – Nachrichten werden nicht einfach beliebig versendet – stattdessen lernt das Netzwerk mit der Zeit kürzeste Pfade, außerdem gibt es unterschiedliche Betriebsmodi (Client, Router, Repeater, …), die jeweils den Nachrichtenfluss im Netzwerk beeinflussen.

Klingt erstmal ganz wunderbar – aber was sind die down sides? Davon gibt es einige: Die Reichweite wird zwar vollmundig immer mit einigen Kilometern angegeben – das mag auf dem Acker in Brandenburg sicherlich auch stimmen. Durch die hohe Frequenz (868 Mhz) endet man in den Berliner Häuserschluchten aber auch sehr schnell schon nach wenigen Metern im digitalen Nirvana. In einer Stadt wie Berlin also das richtige Setup aus Sendeleistung und Übertragungsrate zu finden, ist gar nicht so einfach und der hiesigen Meshtastic-Community bis heute nicht wirklich geglückt. Anfang 2025 wurde vereinbart, von LongFast auf MediumFast (höhere Bandbreite, höhere Datenrate) zu wechseln – da den Wechsel aber nur die Hälfte der Community mitgemacht hat, gibt es jetzt zwei Netze*… 🤷♂️)

Außerdem ist es durch das Mesh-Netzwerk natürlich nicht determiniert, ob eine Nachricht tatsächlich auch beim Empfänger ankommt. Knoten können jeweils für sich entscheiden, ob sie verschlüsselte Direktnachrichten oder verschlüsselte Kanäle weiterleiten wollen – offenbar tun das jedoch nicht alle. Eine Direktnachricht quer durch Berlin zu schicken ist Stand heute zumindest noch ein Ding der Unmöglichkeit. Die Diskussion der Community spielt sich daher bezeichnenderweise primär in einer Telegram-Gruppe und nicht via Meshtastic ab. 😉

Zuletzt mutet die gesamte Idee inkl. der Design mancher Tracker natürlich etwas paramilitärisch an, sodass es kein Wunder ist, dass die Berliner Community offenbar primär aus einem Mix an Hobbyfunkern und Preppern besteht, für die der primäre Use Case ist, dass der Äther für Krisen, Kriege und Weltuntergänge freizubleiben hat – was die Entwicklung anderer Use Cases etwas lähmt… (Und die Frage, ob man sich im Krisenfall wirklich mit ein paar Unbekannten in einem wackligen Netzwerk unterhalten muss oder möchte ist auch nicht wirklich beantwortet)
Fazit: Die Technologie an sich ist super spannend – insb. der von Lora bekannte geringe Stromverbrauch (locker durch ein kleines Solarpanel zu decken) gepaart mit den geringen Kosten der Geräte, dem absolut trivialen Setup und der komfortablen Handyapp macht Meshtastic zu einer sehr spannenden Technologie. Doch die Herausforderung steckt in der Implementierung: Ein Mesh-Netzwerk wirklich stabil aufzuziehen erfordert offenbar wirklich einiges an Erfahrung und Konfiguration. Trotzdem wollen wir mit dem Kabelkollektiv für 2026 einen ersten Use Case anpeilen: Ein stabiles Tracking von Wagen bei Demos, Raves und sonstigen Umzügen – auch wenn das Handynetz schon längst kollabiert ist (was in Berlin bei solchen Veranstaltungen oft genug vorkommt). Stay tuned!
*Nachtrag 04.10.: Der Wechsel zu MediumFast scheint auch in Berlin mittlerweile wohl halbwegs geglückt zu sein – passend zum Tag der Deutschen Einheit ist die Teilung von Berlin damit offenbar vom Tisch… 😉 – Danke für die Info dazu, l5y!